Ich wurde von Raik Thorstad eingeladen, mich einem
blogübergreifenden Interview zu stellen. Raiks Fragen haben mich teilweise ganz
schön ins Schwitzen gebracht ... Noch schlimmer war nur, mir eigene Fragen aus
den Rippen schneiden zu müssen. ;)
Wie läuft das Ganze ab?
Als Dankeschön verlinken die eingeladenen Autoren den
Tagger.
Die 11 gestellten Fragen werden beantwortet.
Man denkst sich selbst 11 neue Fragen aus und taggt fünf
neue Blogger, die weniger als 200 Follower haben.
Ich erlaube mir beim letzten
Punkt eine kleine Abänderung, weil nicht alle Autoren und Autorinnen, denen ich
gerne Fragen stellen möchte, über einen Blog verfügen, sondern manche eine
eigene Homepage besitzen. Da aber keiner von ihnen ein Bestseller-Autor ist,
gehe ich davon aus, dass auch diese Autoren gerne einige Besucher auf ihrer
Homepage haben, die neugierig auf das Interview sind ...
Raiks Fragen an mich:
1. Wie stehst du zu Begriffen wie Wert und Nachhaltigkeit
von Büchern in Bezug auf die heutige Zeit?
Puh, das ist eine schwere Frage, und das gleich zu Beginn!
Wenn man in eine 0815-Buchhandlung geht, oder schlimmer noch, in eine
Bahnhofsbuchhandlung, ist der Großteil der „Ware“ Popkornkino oder Kaugummi.
Unterhaltungsliteratur, was an sich kein Problem darstellt. Nur habe ich den
Eindruck, dass viel der verlegten Massenliteratur gewissen Modewellen
angeglichen wird. In einem Jahr kräht kein Hahn mehr danach. Gleichzeitig
werden viele sehr „eigene“ und eigensinnige Bücher herausgebracht, die ich in
den Fluten von Neuerscheinungen vielleicht noch nicht einmal wahrnehme.
Klar kommen einem dann Fragen nach dem Wert und der
Nachhaltigkeit, die die Vielzahl der Bücher haben. Und dann komme ich ganz
schnell zu meinen eigenen Geschichten, die ja auch vornehmlich unterhalten
wollen. Die Frage ist: Was bleibt? Verkaufszahlen? Leserkritiken? Ich weiß es
nicht.
2. Wenn man dir gestatten würde, ein einzelnes Buch
umzuschreiben, welches wäre das und warum? Wie würdest du dem Autor begründen,
warum du in sein Werk eingegriffen hast?
Ich glaube, ich würde kein einziges Buch umschreiben wollen.
Nicht wirklich. Ich habe das Schreiben tatsächlich mit Fanfiktion begonnen,
allerdings nicht in der Absicht, das Buch „anders“ zu schreiben oder „besser“
enden zu lassen. Mit meiner Schreiberei habe ich mich einem Charakter
angenähert, der im Buch sterben musste, mit dem ich als Leser aber zu wenig
Zeit verbracht habe. Über den Großteil der Geschichte hält man ihn für den
Bösewicht, nur um am Ende zu erkennen, dass seine Motive gute waren und er
hinter einer emotionalen Mauer gelebt hat. Ich hatte das Gefühl, einen
potenziellen Freund verloren zu haben. Also habe ich manche der Begebenheiten
im Buch aus seiner Sicht geschildert und mir überlegt, wie er die Dinge
wahrgenommen hat, was er gefühlt hat. Am Ende war das mehr therapeutisches
Schreiben zur persönlichen Trauerbewältigung. *lach* Aber ich würde nie,
niemals das Ende dieser Geschichte ändern. Es ist richtig so.
Nein, ich käme mir seltsam dabei vor, ein Buch umschreiben
zu wollen. Seit ich selber schreibe, um so mehr. Durch viele Gespräche mit
Lesern ist mir sehr klar geworden, dass die Bilder, die man im Leser weckt,
nicht 1:1 die sind, die man selber beim Schreiben spürt. Außerdem nehmen alle
Leser eine Geschichte leicht unterschiedlich wahr. Im Umkehrschluss bedeutet
dies, dass eine Geschichte, gerade dadurch, dass wir sie im geschriebenen Wort
scheinbar „fixiert“ allen Menschen zugänglich machen, vielfältig wird. Wie ein
aufgespaltener Lichtstrahl. Als Leser „ändere“ ich eine Geschichte also schon
beim Lesen, schlicht durch meine eigenen Gefühle und den Filter, durch den ich
die Geschichte lese.
Aber den Ursprung, das vom Autor Geschriebene, zu ändern,
käme mir grob vor. Alleine, weil ich so viel Respekt vor der Leistung des
Autors habe. Und weil ich weiß, dass niemand, kein Leser der Welt, die
ursprüngliche Geschichte so fühlt wie der Autor. Es käme mir vor, als griffe
ich mir das Herz des Autors und würde es in seiner Brust herumdrehen, wenn ich
seine Geschichte änderte. Und dazu habe ich kein Recht.
3. Kannst du dich erinnern, welches dein allererstes selbst
gelesenes Buch war und bei welcher Gelegenheit du es gelesen hast?
Oh ja. *lach* Ich war bis zum Alter von elf, zwölf Jahren
ein sehr lesefaules Kind. Ich habe mir lieber vorlesen lassen oder
herumgeträumt. Dabei hat meine Mutter mir stets versucht, das Lesen näher zu
bringen. Aber ich fand das viel zu anstrengend. Meine Rechtschreibung war
dementsprechend mies, es bestand der Verdacht, dass ich Legastheniker sei, was
sich aber nicht bewahrheitet hat. Ich erinnere mich an das erste Buch, durch
das ich mich in mit zorniger Trotzigkeit gebissen habe: Robin Hood. Eine Seite
pro Abend, später mehr. Ich habe gefühlte Ewigkeiten dafür gebraucht. Zum Ende
des Buches hin wurde es aber besser. Die nächsten Sommerferien bin ich kaum
noch von meinem „Lesehorst“ – ein Lager aus Decken und Kissen auf einem
Kleiderschrank – hinuntergekommen.
4. Die meisten Autoren haben mehrere Ideen im Kopf oder
sogar in Arbeit. Gibt es ein Projekt, an das du dich selbst bisher nicht
heranwagst und wenn ja, warum? (Detailberichte sind nicht nötig. Nicht, dass
euch einer die Idee klaut. ;))
Ja, da gibt es eine Geschichte, die ich gerne erzählen
möchte, wenn ich mein aktuelles Projekt „Parallelwelt“ beendet habe. Aber sie
ist ein Monster, glaube ich. Es reizt mich ungemein, die Geschichte zweier
Männer zu erzählen, die sich in Chile in Zeiten der Militärdiktatur kennen
lernen – und die auf unterschiedlichen Seiten stehen: der eine Mitglied der
Marine, der andere im Untergrund aktiv. Ich finde die Spaltung der chilenischen
Gesellschaft und die Narben, die die Zeit der Militärdiktatur hinterlassen
haben, sehr spannend und auch bitter anzusehen. Gleichzeitig ist die
traditionelle und katholisch geprägte chilenische Gesellschaft Homosexuellen
gegenüber bis heute sehr ablehnend gegenüber eingestellt. Das Leben im Schrank
und Alibi-Ehen sind nach wie vor sehr verbreitet. Wenn ich mich tatsächlich an
dieses Monster von Geschichte heran wage, werde ich Jahre brauchen – alleine
wegen der Recherche. Gut ist, dass es nach wie vor viele Zeitzeugen gibt, mit
denen ich sprechen kann. Aber allein sich durch die spanischsprachige Literatur
zum Thema zu arbeiten ... Himmel, hilf.
5. Bist du schon einmal in eine Situation geraten, in der du
den Eindruck hattest, dass sich jemand an deinem geistigen Eigentum bedient hat
und wie hast du darauf reagiert?
Nein, das ist mir zum Glück bisher nicht passiert. Ich wäre wohl
recht geschockt, weil ich Abschreiben in jeder Form ziemlich daneben finde – ob
sich das nun um wissenschaftliche Texte handelt oder um Werke der Fiktion.
6. Gibt es Orte, Länder, Regionen, die dich besonders
inspirieren und welche sind das?
Oh ja, die gibt es! Mich reizen karge, schroffe und auch
majestätische Landschaften. Chile steht mit seiner landschaftlichen Vielfalt da
ganz vorne, aber ich fand auch Island, Norwegen, Schottland und Irland
wunderbar. In Staub & Stolz habe ich einige dieser Landschaften
eingeflochten.
7. Leser und Kritiker vergleichen gern den Stil eines
Autoren mit dem anderer Schriftsteller. Siehst du für dich selbst Parallelen zu
toten oder lebenden Schriftstellern?
Nein. Es gibt Autoren und Autorinnen, die ich aufrichtig
bewundere. Jeanette Winterson für ihren Stil beispielsweise. Aber ich strebe
ihnen nicht nach, oder entdecke zufällig Parallelen in meiner Art zu Schreiben.
Ich suche auch nicht danach.
8. Bücher können Einfluss nehmen; egal zu welchen Themen.
Gibt es Dinge, die du den Lesern offensiv oder auch eher subtil vermitteln
möchtest?
Ich habe grundsätzlich keine politische oder
gesellschaftliche Botschaft, die ich meinen Lesern vermitteln will. Ich
schreibe in erster Linie Geschichten, die unterhalten wollen. Die Geschichte
motiviert sich aus den Charakteren heraus, aus einer Situation, in der sie
stecken. Ich nehme mir nicht vor, mit einer Geschichte beispielsweise für die
rechtliche Gleichstellung von homosexuellen Paaren zu werben und webe den Plot
darum herum. Aber natürlich kommen manche meiner Anschauungen ganz automatisch
mit in den Plot oder werden thematisiert. Sollte ich mich tatsächlich an die
Geschichte zur Zeit der chilenischen Militärdiktatur heranwagen, wäre dies im
Hintergrund natürlich ein sehr politisches Buch.
9. Kurzgeschichten: Wie stehst du dazu? Ja, nein,
vielleicht, kann ich nicht oder vielleicht ganz anders?
Ich schreibe sie sehr gern, lesen tue ich sie nicht sehr
gerne. In beiden Fällen bin ich ziemlicher Egoist. Als Schreiberling geben mit
Kurzgeschichten viel Freiheit. Ich kann gleich zur „Kür“ kommen und muss keine
„Pflicht“ absolvieren. Ich mag es, spontan eine Szene zu beschreiben, einen
Moment, der schimmert und der besonders ist, ohne Rahmenhandlung. Als Leser
wiederum mag ich Wälzer, in die ich stunden- oder tagelang abtauchen kann.
10. Hat das Schreiben deine eigenen Lesegewohnheiten
verändert und wenn ja, wie?
Ich lese weniger, leider. Weil ich mehr Zeit mit Schreiben verbringe. Außerdem habe ich über das Schreiben einige Kollegen kennen gelernt, deren Werke ich jetzt auch mit viel Vergnügen lese. Aber es ist nicht so, dass sich meine Vorlieben für bestimmte Genre durch mein Schreiben verändert haben. Vielleicht lese ich ein paar Geschichten mehr, in denen schwule Protagonisten vorkommen, aber prozentual gesehen ist das immer noch die Minderheit der Geschichten.
11. Zum Abschluss eine ganz einfache Frage: Was ist dein
großer Traum in Sachen Schriftstellerei?
Gute Geschichten zu schreiben, die die Leser bewegen und die
sie nicht vergessen. Um auf die erste Frage zurück zu kommen: Vielleicht ist
das die „Nachhaltigkeit“ ... dass die Leser die Geschichte über Jahre nicht
vergessen.
Nachdem ich mir nun einen abgebrochen habe, Raiks Fragen zu
beantworten ;), möchte ich meine Fragen an folgende Autoren richten:
Levi Frost (könnte er sie in Ermangelung eines eigenen Blogs
auch auf Facebook beantworten?),
und Jana Walther
1. Fangen wir einfach an: Seit wann schreibst Du und was hat
Dich zum Schreiben gebracht?
2. Welche Deiner Geschichten ist Dir am nächsten und warum?
3. Bei John Irving sind es unter anderem Bären, starke
Frauen und homoerotische Beziehungen, die als Motive immer wieder in seinen
Geschichten auftauchen. Gibt es auch in Deinen Geschichten Themen oder Motive,
die wiederkehren? Wenn ja, welche und warum?
4. Bist Du ein „Stiller Brüter“ oder ein Schreiberling, der
seinen Plot in die Welt hinausträgt und mit vielen Menschen diskutieren muss?
5. Hat Dein eigenes Schreiben Deine Sicht auf die Werke
anderer Autoren verändert? Wenn ja, wie?
6. Wie weit schaffst Du es, Dich von Deiner eigenen
Geschichte „abzunabeln“, wenn sie fertig ist? Schaffst Du es beispielsweise,
eine fertige Geschichte zu lesen, als sei sie von jemand anderem geschrieben
worden? Oder anders gefragt: Hört
die Arbeit an den eigenen Geschichten für Dich je auf?
7. Welche Rolle spielt für Dich das Feedback Deiner Leser?
Sehnst Du Kritiken herbei? Hast Du Angst davor?
8. Welches war das schönste Feedback, das Du je von einem
Leser bekommen hast?
9. Wie beurteilst Du die Vernetzung mit anderen Autoren:
Wertvoller Gedankenaustausch, Klüngelei oder am Ende gar Autoren-Hickhack?
10. Self-Publishing oder Publizieren beim Verlag: Was
möchtest du lieber machen und warum?
11. Zum Abschluss ein klein wenig Kreativität, bitte! ;) ... In
maximal 5 Sätzen: Was passiert zwischen den Buchdeckeln Deiner liebsten
Geschichte, wenn das Buch geschlossen ist?
Ich wünsche Euch viel Spaß beim Beantworten meiner Fragen!
Hallo Dewi,
AntwortenLöschenich habe deine Antworten sehr gern gelesen. Vielen Dank für deine Mühe! Insbesondere deine Ausführungen zu Punkt zwei haben mich sehr angesprochen.
Herzliche Grüße, Rosha
Hey Rosha,
Löschenes freut mich, dass Dir meine Antworten auf Raiks kniffeligen Fragen gefallen haben. Punkt zwei ... ja, die Frage war wie für mich gemacht. *zwinker*
Viele Grüße zurück,
Dewi